Der Zug des Lebens


"Der Zug des Lebens" vergleicht unser Dasein mit einer Zugreise...

 

Diese beginnt bei unserer Geburt und endet - logischerweise - mit dem Tod. Während der Fahrt steigen immer wieder verschiedene Menschen zu uns ins Abteil, fahren ein Stück mit und verlassen unseren Zug dann wieder...

 

Es gibt den Text in zahlreichen Versionen - zum Beispiel als Gedicht oder als Video - und wann immer er mir begegnet, finde ich ihn aufs Neue unglaublich schön und berührend.

 

Besonders bei Themen wie Abschied, Trennung, Verlust oder Tod hilft mir dieser Vergleich, die Situation besser zu verstehen und meinen inneren Frieden damit zu finden.

 

Daher möchte ich hier MEINE Gedanken zum "Zug des Lebens" mit dir teilen: 

 

Am Ziel der Reise: Vom Umgang mit dem Tod


Wenn ein Mensch (oder auch ein Tier) stirbt, bedeutet das für mich im Grunde nur, dass derjenige das Ziel seiner Reise erreicht hat. Er ist dort angekommen, wohin er wollte und steigt nun aus dem Zug des Lebens aus.

 

Manche Menschen entscheiden sehr spontan, dass sie aussteigen möchten (z.B. bei Unfällen oder sehr plötzlichen Todesfällen), andere bereiten sich und ihre Mitreisenden schon längere Zeit darauf vor, dass sie sich nun bald ihrem Zielbahnhof nähern (z.B. durch langwierige Krankheiten). Manche genießen die Fahrt für viele Jahre, während andere für unser Empfinden schon viel zu früh wieder aussteigen...

 

Doch auch, wenn es für uns traurig und schmerzhaft ist, fortan ohne diesen geliebten Menschen (oder das geliebte Tier) in unserem Lebenszug weiterfahren zu müssen, so haben wir doch kein Recht, sie oder ihn am Aussteigen zu hindern. 

 

Für mich wäre die Vorstellung viel schlimmer, dass jemand sein Ziel verpasst hat, nur weil ich versucht habe, ihn festzuhalten. Und gleichermaßen möchte ich beim Abschied voller Liebe und Dankbarkeit sein für die gemeinsame Zeit - anstatt den anderen damit zu belasten, dass ich leide, wehklage oder ihm gar unbewusst Vorwürfe mache.

 

Und deswegen hilft mir trotz aller Trauer, die ich natürlich trotzdem empfinde - und auch empfinden darf - der Gedanke sehr, zu wissen, dass dieses Wesen gerade sein persönliches Traumziel erreicht hat.

Abschied und Trennungen: Wenn Menschen umsteigen


Genauso wie beim Umgang mit dem Tod hilft mir der Vergleich mit dem Zug des Lebens auch bei allen anderen Formen von Trennung oder Abschied.

 

Für mich ist das gleichbedeutend mit einem Umsteigen in einen anderen Zug, weil mich der, in dem ich sitze, nicht an das richtige Ziel bringen würde.

 

Auch in diesem Fall bedeutet das oft, dass sich die Wege von zwei Menschen trennen. Solange sie gleiche oder ähnliche Ziele haben, fahren sie ein Stück gemeinsam - mal kürzer, mal länger. Doch sobald einer von beiden feststellt, dass dieser Zug nicht (mehr) der Richtige für ihn ist, wird es Zeit, umzusteigen.

 

Dem anderen zu Liebe sitzen zu bleiben und irgendwo hinzufahren, wo man gar nicht hin will, wäre fatal. Er zerstört früher oder später das Glück und die Lebensfreude. Und wie schon beim Thema Tod gilt hier noch viel stärker: Wer gibt mir das Recht, einen anderen Menschen dazu zwingen zu wollen, in meinem Zug zu bleiben, wenn er sich dort nicht (mehr) wohlfühlt?

 

Oder andersherum: Niemand hat das Recht, mich am Umsteigen zu hindern, wenn dies mein Wunsch ist.

 

Natürlich kannst du versuchen, die andere Person für dein neues Ziel zu begeistern. Oder ihr / ihm in Erinnerung zu rufen, warum ihr ursprünglich gemeinsam in diesen Zug gestiegen seid. Vielleicht gelingt es und ihr setzt die Reise nun doch zusammen fort. Bleibt jedoch bei einem von euch der Wunsch bestehen, umzusteigen, dann macht es keinen Sinn, dies verhindern zu wollen.

 

Am Ende würde es euch beide unglücklich machen...

Der Lebenszug: Gut gegen Verlustängste


Ich bin sehr dankbar für die Geschichte vom Zug des Lebens, denn sie hilft mir zu verstehen. Zu verstehen, warum Menschen sterben oder mein Leben verlassen...

 

Was natürlich nicht bedeutet, dass ich keine Trauer empfinde. Selbstverständlich bin ich traurig, wenn jemand aus meinem Zug aussteigt - aus welchen Gründen auch immer - oder wenn ICH spüre, dass es an der Zeit ist, umzusteigen.

 

Es geht nicht darum, die Trauer zu unterdrücken. Sie zuzulassen, zu fühlen, zu weinen, wenn einem danach ist, ist sehr wichtig. Denn jedes Gefühl, das du ignorierst oder unterdrückst, ist selbst wie eine Art Fahrgast: Es fährt dann solange weiter mit dir mit, bis du es irgendwann endlich zu- und damit loslässt...

 

Der Vergleich mit dem Zug hat mir jedoch die Angst genommen. Die Angst vor Verlusten. Die Angst davor, verlassen zu werden. Denn ich weiß, dass alles richtig ist, was passiert. 

 

Anstatt mich also mit Verlustängsten zu quälen, genieße ich lieber die Fahrt und die Gesellschaft derer, die gerade bei mir sind - voller Liebe, Freude und Dankbarkeit für den Moment und die Zeit, in der wir gemeinsam reisen...